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Rosa-Schapire-Kunstpreis 2020: Der Juror

Die Laufbahn des britischen Kunsthistorikers und Kurators Jasper Sharp startete 1999 in der Peggy Guggenheim Collection in Venedig. Heute lebt und arbeitet er in Wien und hat für Hamburg die New Yorker Künstlerin Kathleen Ryan als Preisträgerin bestimmt.

Sie sind von Alexander Klar, dem Direktor der Hamburger Kunsthalle, als Juror ausgewählt worden, um eine/n Preis träger/-in für den Rosa-Schapire-Preis 2020 zu bestimmen.


Ja, das war eine sehr ungewöhnliche Situation für mich, eine Ein-Mann-Jury zu bilden. Als Kurator an einem Museum mit über 800 Mitarbeitern, dem Kunsthistorischen Museum in Wien, bin ich die Arbeit mit Gremien und Beiräten gewohnt …

Wie sind Sie vorgegangen, welche Leitlinien haben Sie zu Ihrer Entscheidung geführt?

Man kann einen solchen Preis nicht vergeben, ohne seine Geschichte zu kennen. Deshalb habe ich mich mit dem Leben der Namensgeberin, der wunderbaren Rosa Schapire, beschäftigt und mir die Liste mit den bisherigen Preisträgerinnen und Preisträgern angeschaut. Man kann ja einen Preis für ein Lebenswerk verleihen oder umgekehrt einem ganz jungen Künstler oder jemandem auf dem Zenit seines Schaffens, doch läuft man dann Gefahr, dass der Preis nur ein weiterer auf einer langen Liste ist. Ich wollte eine Person auswählen, für die dieser Preis eine wirkliche Veränderung bedeutet, deren Karriere er einen entscheidenden Schwung verleiht, der er wirklich hilft – und die ihn nicht erwartet.

Und diese Person ist Kathleen Ryan …

Sie stand an erster Stelle meiner kleinen Shortlist, die ich gemacht hatte, wobei ich auch immer im Auge hatte, wie das Werk der jeweiligen Künstlerin bzw. des Künstlers in den Räumen der Hamburger Kunsthalle funktionieren würde. Ich verfolge Kathleen Ryan schon seit geraumer Zeit und habe sie 2017 für ein Projekt nach Wien eingeladen. Ihr Werk ist ungeheuer vielseitig, bietet zahlreiche Anknüpfungspunkte, es
schreibt dem Betrachter nichts vor. Sie spielt mit dem altmeisterlichen Stillleben der Kunstgeschichte, sie ist aber dennoch entschieden zeitgenössisch, in ihrer Materialwahl und in ihrer harschen Konsumkritik. Und außerdem sind ihre Arbeiten handwerklich einfach wunderschön ausgeführt.

Stichwort Kunstgeschichte. Sie sind seit 2010 Kurator am Kunsthistorischen Museum in Wien, wo Sie zeitgenössische Kunst in den Dialog mit den historischen Sammlungen bringen. Hat das Ihren Blick geprägt?

Ja, ganz sicher. Wenn wir zeitgenössische Künstler einladen, lassen wir uns von der Sammlung leiten. Ich rede viel mit jungen Künstlern über das, was sie sehen. Kathleen Ryan gehört zu denen, die auf die Vergangenheit schauen, ohne sie zu kopieren. Sie arbeitet mit Formen, die wir wiedererkennen auf der Ebene von Empfindungen, wie sie etwa durch den Anblick einer weiblichen Figur auf einem Sofa ausgelöst werden. Ryan schöpft aus der Tradition, legt ihre Wurzeln frei und erweitert ihre Grenzen.

Interview: Veronika Schöne